Mikrofotografie mit zwei Zooms

Für Abbildungsmaßstäbe bis 1:1 gibt es ja heutzutage eine ganze Menge spitzenmäßiger Makroobjektive, teilweise schon für wenige 100 Euro. 1:1 bedeutet dabei, dass auf einem APS-C-Sensor mit gut 22mm Breite ein Objekt mit ebendieser Breite vollständig abgebildet wird (bei FF sind's 36mm und bei 4/3 entsprechend 17,3mm). Man könnte also beispielsweise von der Kontaktleiste einer SD-Karte ein Poster in top Qualität machen, da man die gesamte Sensorauflösung zur Verfügung hat.

Will man noch kleinere Gegenstände formatfüllend abbilden, gibt es momentan lediglich ein einziges Objektiv am Markt, dass diese Aufgabe ohne weitere Hilfsmittel erledigen kann: Das Lupenobjektiv Canon MP-E 65. Damit lassen sich Abbildungsmaßstäbe bis 5:1 erreichen, also knapp 5mm kleine Dinge füllen den APS-C-Sensor aus. Mit bummelig EUR 1000,- ist das allerdings kein günstiges Vergnügen!

Natürlich gibt es aber auch günstigere Möglichkeiten um ''dichter ran zu kommen''; sogar gleich eine ganze Hand voll. Ich will jetzt nicht näher auf alle Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden eingehen, aber wer möchte, der möge zum Beispiel nach den folgenden Begriffen suchen:

Zu den Themen gibt es schon jede Menge gute Seiten und Forenbeiträge. Irgendwo habe ich mein Wissen ja auch her ;). Jedenfalls waren die beiden letzten Punkte für mich die interessantesten, da ich momentan noch kein Makroobjektiv für meine Canone habe.

Mit dem Umkehrring lassen sich zum Beispiel sehr gute Ergebnisse erzielen, allerdings kann man den Abbildungsmaßstab für ein spezielles Objektiv nicht zuverlässig berechnen. Das liegt daran, dass man dafür den genauen Abstand vom Sensor zur Frontlinse (welche ja in diesem Fall effektiv die Rücklinse ist) des Objektives braucht. Dieser Abstand variiert aber jetzt durch die Dicke des verwendeten Adapters und den Abstand zwischen Filtergewinde bzw. Objektivgehäusevorderkante und Frontlinse. Für beides gibt es normalerweise keine konkreten Angaben, also hilft nur ausprobieren.

Fest steht jedoch, dass man mit kürzeren Brennweiten einen größeren Abbildungsmaßstab erzielt, weshalb mir mein Sigma 18-35mm f/1.8 als ausgesprochen gut dafür geeignet schien :). Im normalen Gebrauch schafft das Teil laut Sigma 1:4.3, ist also alles andere als ein Makro. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, würde ich dafür schon einen ganzen Satz Zwischenringe brauchen, um überhaupt in den Bereich 1:1 zu kommen. Glücklicherweise funktioniert der Retroadapter wie gehofft und liefert mir knappe 2:1 bei 35mm und knappe 4:1 bei 18mm!

Sigma 18-35 f/1.8, normal bei 35mm. Abbildungsmaßstab ca. 1:3.87

Sigma 18-35 f/1.8, retro bei 35mm. Abbildungsmaßstab ca. 1.96:1

Sigma 18-35 f/1.8, retro bei 18mm, Abbildungsmaßstab ca. 3.89:1

 

Als Testobjekt diente mir hier ein iPod Touch 3G, dessen Display ziemlich genau 7,5cm breit ist und 64 Pixel pro Zentimeter hat. Zur besseren Orientierung habe ich ein exaktes Displaylineal gebastelt; auf dem letzten Bild sieht man also gut einen halben Zentimeter. Die Bilder sind jeweils in voller Auflösung verfügbar, falls jemand die Qualität beurteilen möchte. Eine kleine Anmerkung dazu: Die Schärfentiefe ist bei f/5.6 noch so groß, dass die Unebenheiten des Deckglases sich hier noch negativ auswirken. In ebendiesem Glas sind nämlich erstaunlich viele Bläschen, die es weiter unten noch genauer zu sehen gibt.

Der Sigma MacroBomber

 

Die zweite Option in meinem Fall ist der sogenannte Kupplungsring. Der hat an beiden Enden ein Außengewinde, mit dem sich dann zwei Objektive mit ihren Filtergewinden voreinanderschrauben lassen. Im Prinzip benutzt man damit das eine Objektiv als Vorsatzachromat - wobei die Bildqualität hierbei wesentlich besser ist als die einer einfachen Linse. Das tolle dabei ist, dass man den Abbildungsmaßstab annäherungsweise (recht genau) anhand der verwendeten Brennweiten berechnen kann. Ein Beispiel: Seit gestern besitze ich zu meinem 18-35er auch das Sigma 50-150 f/2.8 APO OS HSM. Mit 150mm an der Kamera und vorgeschraubten 18mm ergibt sich somit: 150/18 = gute 8:1. Also schon ganz ordentlich!

Allerdings hat genau diese Kombi auch einen Nachteil. Wie gravierend der ist, sehen wir gleich. Für optimale Ergebnisse muss die Frontlinse des vorderen Objektives größer sein als die des Objektives an der Kamera. Das 18-35 hat einen Filterdurchmesser von 72mm, das 50-150 aber 77mm, daher kommt es hier zu Vignettierung. Besser wäre es andersrum gewesen, also sollte man lieber ein schnelles Weitwinkel vor ein langsames Tele schnallen.

 

Vignettierung bei verschiedenen Zoom-Kombinationen

 

Wie man sieht, ist die Kombination bei 150mm noch gut brauchbar. Die Ecken sind zwar schon schwarz, aber man muss nicht allzuviel wegcroppen. Bei 100mm haben wir den ''Sweet Spot'' des 50-150, die Abbildungsqualität ist besser als bei 150mm, aber man kann nicht mal mehr ein quadrat mit voller Bildhöhe rauscroppen. Die 50mm sind unbrauchbar, da ist man mit dem 18-35 alleine + Retroring besser bedient. Ebenfalls sollte man das Objektiv an der Kamera nicht abblenden, weil das ebenfalls zu extremen Vignettierungen führt (siehe oben 150/18 @ f/8). Das 18-35 war bei allen Bildern offen, also nicht abgeblendet.

 

Abbildungsmaßstäbe

Brennweite 1	Brennweite 2	Berechnet	Gemessen
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150mm		18mm		8.33 : 1	7.68 : 1
150mm		35mm		4.29 : 1	4.20 : 1
102mm		18mm		5.67 : 1	5.36 : 1
102mm		35mm		2.91 : 1	2.95 : 1
50mm		18mm		2.78 : 1	2.74 : 1

 

150mm zu 18mm, volles Bild

102mm zu 18mm, volles Bild

 

Noch kurz ein paar Worte zum Handling. Die gezeigte Kombination bringt knapp 3 Kilo auf die Waage und hat eine mords Hebelwirkung auf Gewinde und Bajonett, einen Einsatz auf Stativ würde ich somit nicht unbedingt wagen... Ich hatte das Ding wie abgebildet auf dem Tisch liegen und noch ein Küchenhandtuch zum Stützen unter das vordere Objektiv gelegt. Der Abstand zum Motiv, ich hab' ihn nicht genau nachgemessen, liegt bei ca. 3-4cm. Man kann dann schön davorlegen was man knipsen will; fokussieren muss man eh durch variieren des Objektabstandes zum Objektiv und mit Hilfe von LifeView.

 

Blasen im Deckglas des iPod Touch

 

Eine Plattennadel. Den feinen Dreck kann man mit bloßem Auge beim besten Willen nicht sehen - ich wüsste auch nicht welche Bürste fein genug zum Reinigen wäre...

 

Schreib- und Lesekopf einer IBM-Festplatte

 

Leiterplatte. Die Leiterbahnen sind vermutlich 4mil (0.1016mm) breit und 6mil (0.1524mm) auseinander. Die Kupferschicht wird 35µm dick sein, der Stopplack offenbar noch etwas mehr.